Der sogenannte MDR1-Defekt kommt bei einigen Hunderassen, vor allem Collies, gehäuft vor. Er kann sogar beim Menschen auftreten. Der Defekt trägt seinen Namen, weil er im MDR1-Gen vorliegt. Dadurch kann der Körper ein bestimmtes Protein nicht oder nur unzureichend synthetisieren. Das heißt, der Körper kann dieses Protein nicht aus Aminosäuren „aufbauen“, wie es sonst bei allen anderen synthetisierten Proteinen der Fall ist. Das entsprechende Protein heißt P-Glykoprotein oder auf Englisch auch „Multidrug-Resistance-Protein 1“ (= MDR1), woher das Gen und auch der MDR1-Defekt letztendlich auch ihre Namen haben. Wieso das fehlen dieses Proteins so problematisch für den Hund ist, erfahren Sie im folgenden Artikel!
Was passiert im Hundekörper durch den MDR1-Defekt?
Das MDR1, also das Protein, ist ein wichtiger Bestandteil der sogenannten Blut-Hirn-Schranke. Diese ist eine Barriere zwischen den Flüssigkeitsräumen des Gehirns und Rückenmarks, in denen Liquor fließt, und dem Blutkreislauf. Diese Schranke ist ein sehr gut ausgeklügelter Bestandteil von vielen Säugetierarten. Denn sie schützt das wichtige Zentrale Nervensystem (= ZNS) vor Krankheitserregern, Giftstoffen usw. aus dem Blut. Sie fungiert also quasi als unglaublich gutes Filtersystem, was zwar Nährstoffe aus dem Blut ins Gehirn wandern lässt, aber eben keine schädlichen Stoffe. Auch „Abfallstoffe“, also Stoffwechselprodukte, können aus dem Gehirn über die Blut-Hirn-Schranke abtransportiert und wie alle anderen Stoffe dann vom Organismus abgebaut werden.
Hier zeigt sich auch schon das Problem: Wenn der Körper durch den MDR1-Defekt das Protein nicht herstellen kann, ist die Blut-Hirn-Schranke geschwächt. Dies führt in der Regel bei erkrankten Hunden dazu, dass sie bestimmte Arzneimittel nicht vertragen.
Das klingt vielleicht erstmal nicht so dramatisch. Doch diese Arzneimittelunverträglichkeit kann bis zum Tode führen. Denn wenn Wirkstoffe, die beispielsweise Parasiten abtöten sollten, ins ZNS gelangen, lösen sie dort schwere Hirn- und Nerbenschäden aus. Diese können so ausgeprägt sein, dass der Hund daran stirbt oder man ihn erlösen muss. Auch bestimmte Schmerzmittel oder Sedativa, die man z. B. für eine OP oder Ruhigstellung des Hundes bei einer wichtigen Untersuchung (etwa ein MRT) verwendet, können bei betroffenen Tieren solche Schäden hervorrufen.
Daher ist es also unglaublich wichtig, zu wissen, ob der eigene Hund betroffen ist. Ansonsten könnte ihn, salopp gesagt, schon eine einfache Wurmkur umbringen!
Wie finde ich raus, ob mein Hund betroffen ist?
In der Regel besteht ein Risiko vor allem für bestimmte Rassen, hauptsächlich Collies. Das liegt daran, dass vermutlich ein einziger Hund, der Mitte des 19. Jahrhunderts zur „Begründung“ der Collies beigetragen hat, Träger dieses Defekts war und ihn damit an diese Rassen weitergegeben hat. Daher sollte man bei allem Collies, mit ihnen verwandten Rassen oder auch Mischlingen, die einen Teil Collie enthalten, einen entsprechenden Gentest machen lassen. Dafür muss man einfach nur zum Tierarzt gehen und ein bisschen Blut abnehmen lassen. Dieses sendet der Tierarzt dann ans Labor und man erhält einige Zeit später das Testergebnis.
Bei welchen Rassen besteht ein Risiko für den MDR1-Defekt?
Folgende Rassen sind definitiv häufig von dieser Mutation betroffen:
- Langhaar- und Kurzhaarcollie
- Australian Shepherd
- Miniatur Australian Shepherd
- Border Collie
- Bobtail
- Shetland Sheepdog, auch Sheltie genannt
Der MDR1-Defekt ist zudem bei den folgenden Rassen bekannt, wobei er hier nicht ganz so häufig auftritt:
- Wäller
- Bearded Collie
- Deutscher Schäferhund
- Silken Windhound
- English Shepherd
- McNab
- Langhaarwhippet
- Berger Blanc Suisse (Weißer Schweizer Schäferhund)
- Australian Kelpie
- Barsoi
- Belgischer Schäferhund (dazu gehören Malinois, Groenendael, Laekenois und Tervueren)
Auch einige seltenere Rassen können unter Umständen betroffen sein.
Wissenswertes rund um den MDR1-Defekt
Seit 2009 ist es in Deutschland so, dass Collie- und Sheltiezuchtvereine, die dem VDH angeschlossen sind, alle Zuchttiere auf den MDR1-Defekt testen lassen müssen. Dies soll verhindern, dass mit Gendefekt-Trägern gezüchtet wird und weitere Welpen mit der Mutation auf die Welt kommen. Generell sollte jeder verantwortungsbewusste Züchter (egal ob „Profi“, Hobbyzüchter oder Hundehalter, die sich einfach Welpen von ihrer Hündin wünschen) nur mit gesunden Tieren züchten und seine Zuchttiere vor einer Verpaarung testen lassen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um die häufig betroffenen Rassen handelt.
Mit einem betroffenen Hund muss man bei der Wahl der Medikamente sehr genau aufpassen. Beispielsweise gibt es auch Arzneistoffe, die man bei Durchfall oder Herzkrankheiten einsetzt und die bei betroffenen Hunden ebenfalls unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Man hat auch viele weitere Wirkstoffe im Verdacht, bei erkrankten Hunden negative Folgen auszulösen. Daher ist es sehr wichtig, dass man alle Tierärzte, die mit dem Hund zu tun haben, über das Vorliegen des Defekts informiert. Der Hund selbst gilt durch diese Erbkrankheit als Risikopatient.
Als Hundehalter sollte man zudem darauf achten, dass der Vierbeiner keine Pferdeäpfel frisst. Denn es kann immer mal sein, dass genau dieses Pferd zuvor entwurmt wurde. Dann sind noch Reste des Wirkstoffs im Kot vorhanden. Handelt es sich dabei um Ivermectin, kann dies die oben genannten Schäden beim Hund hervorrufen. Denn Ivermectin ist einer der Stoffe, die beim erkrankten Hund die Blut-Hirn-Schranke passieren können.